Wirtschaft und Finanzen

Konzernklagerechte: Die Meinl Bank will 400 Millionen vom Staat Österreich

Sonderklagerechte in Handelsabkommen ermöglichen es Konzernen, Staaten vorbei an den normalen Gerichten auf Millionenbeträge zu verklagen.

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Die Justiz ermittelt seit Jahren gegen Verantwortliche der Meinl Bank wegen des Verdachts auf Anlegerbetrug und Untreue. Far East, die Mehrheitseigentümerin der Meinl Bank mit Sitz in Malta, fühlte sich ungerecht behandelt und hat die Republik Österreich auf 200 Mio. Euro Schadenersatz verklagt. Grundlage dafür war ein Handelsabkommen mit Malta. Zwar wurde die Meinl-Klage mittlerweile aus Formalgründen zurückgewiesen. Die Verfahrenskosten von über 5 Mio. € muss Österreich aber trotzdem zahlen. Und damit nicht genug: im Juli wurde erneut Klage eingereicht – nunmehr über 400 Mio. Euro.

Sonderklagerechte in Handelsabkommen ermöglichen es Konzernen, Staaten vorbei an den normalen Gerichten auf Millionenbeträge zu verklagen.

Die Aufarbeitung der Ereignisse um den Immobilienfonds Meinl European Land beschäftigen die Justiz schon seit Jahren. Die Vorwürfe lauten auf Anlegerbetrug und Untreue und bescherten Julius Meinl V., dem Namensgeber des Fonds, auch einen kurzen Aufenthalt in Untersuchungshaft. AnlegerInnen haben bei den Kursverlusten von Meinl European Land hunderte Millionen Euro verloren, viele von ihnen fühlten sich getäuscht und machten Ansprüche gegen die Bank vor österreichischen Gerichten geltend – großteils erfolglos.

„Alles dreht sich“, wie die Presse berichtete, „um die Ausschüttung einer Sachdividende in der Höhe von 211,9 Millionen Euro Anfang 2009. Durch diese Ausschüttung an die Mehrheitsaktionärin Far East, die Julius Meinl zuzurechnen ist, soll der Meinl Bank wissentlich ein Vermögensschaden zugefügt worden sein. Darüber hinaus habe man verabsäumt, im Jahresabschluss Rückstellungen in ausreichender Höhe zu bilden. Dabei hätten die Banker gewusst, dass der Gesellschaft ‚potentielle Haftungsrisiken … in einer Größenordnung von zumindest 250 Mio. Euro‘ von geschädigten Anlegern ins Haus stehen würden.“ Die Beschuldigten bzw. ihre Anwälte weisen die Vorwürfe entschieden zurück und haben ihrerseits zahlreiche Beschwerden eingebracht.

Im Juli 2015 hat die Mehrheitseigentümerin der Meinl-Bank dann vor dem Konzerngericht in den USA geklagt.

Klage in Washington statt in Österreich

Internationale Investitionsschutzabkommen wurden erfunden, um Investoren in unterentwickelten oder sogar korrupten Rechtssystemen vor Enteignung zu schützen. Laut UN-Welthandelsorganisation gibt es derzeit weltweit 1.456 Verträge, die es Investoren erlauben, Staaten direkt vor einem internationalen Tribunal anstatt vor nationalen Gerichten zu verklagen.

Österreich hat 41 solcher Abkommen abgeschlossen. Dazu zählt auch jenes mit Malta. Genau dieses bildete die Grundlage für die Klage der Meinl-Mehrheitseigentümerin Far East, eines niederländischen Unternehmens, geführt nach den Regeln des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington. Die Meinl-Klage war eine Premiere – noch nie zuvor wurde Österreich vor einem Konzerntribunal geklagt.

 Investitionsschutz – ein Spiel mit gezinkten Karten

Warum der mit einer solchen Klage verbundene Aufwand lohnt, zeigen die Rahmenbedingungen eines Konzerntribunals: Diese Tribunale haben eine einzige Frage zu beantworten, nämlich, ob dem Investor ein Schaden zugefügt wurde, der gegen das Handelsabkommen verstößt. Was dabei zählt, ist nur das konkrete Abkommen selbst– das österreichische Recht ist dabei irrelevant. In Artikel 3 des Abkommens mit Malta heißt es nun: „Jede Vertragspartei gewährt Investitionen durch Investoren der anderen Vertragspartei eine gerechte und billige Behandlung sowie vollen und dauerhaften Schutz und Sicherheit.“

Dieser „Fair and Equitable Treatment“-Standard ist eine der zentralen Normen der Konzerntribunale, weil er enormen Interpretationsspielraum eröffnet. Jedes Konzerntribunal entscheidet aufs Neue, was es selbst darunter versteht. Eine Präzedenzwirkung vormals entschiedener Fälle existiert genauso wenig wie eine echte Berufungsinstanz.

Wer entscheidet über Schuld und Unschuld?

Umso bedeutender ist es, wer die Mitglieder des Tribunals sind, welche Einstellungen sie haben und wie gut sie die Materie kennen. Ob sie Interessenkonflikte haben, erpressbar sind oder parteiisch. Das ist ein weiterer Vorteil von Konzernklagerechten: jede Partei darf selbst ein Mitglied des Tribunals ernennen, worauf diese beiden sich auf das dritte Mitglied zu einigen haben.

Konzernklagerechte sind bereits für Einschüchterungsklagen interessant.

Besondere Anforderungen an Mitglieder von Tribunalen gibt es nicht. Unvereinbarkeitsregelungen bestehen nur auf freiwilliger Basis. Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Unparteilichkeit wie bei ordentlichen Gerichten sind nicht garantiert. Gezahlt werden pro Verhandlungs- bzw. Arbeitstag 2.700 €. Dazu kommen noch Zulagen und Aufwandsentschädigungen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt laut Europäischer Kommission drei bis vier Jahre.

Konzernklagerechte sind so bereits für reine Einschüchterungsklagen interessant, die ohne Aussicht auf Erfolg betrieben werden. Denn die Kombination aus Unberechenbarkeit des Tribunals mit hohen Anwaltskosten schafft einen großen Anreiz, dem Begehren des Klägers in irgendeiner Form entgegen zu kommen. Die durchschnittlichen Anwaltskosten eines Investitionsschutzverfahrens betragen laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2012 immerhin 7,2 Mio. € pro Partei bzw. 150.000 bis 200.000 Euro im Monat.

Genau dies belastet nun auch das Budget der Republik: zwar wurde die Meinl-Klage vor einigen Monaten aus Formalgründen zurückgewiesen, auf den Verfahrenskosten bleibt die Republik aber trotzdem sitzen, wie die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Finanzminister Löger zeigt. Genaue Zahlen rückt Löger zwar nicht heraus, spricht aber davon, dass die Gesamtkosten etwa 2,5% des Streitwerts betragen. Das wären 5 Mio. Euro nur dafür, dass eine Bank ohne wirkliche Aussicht auf Erfolg versucht, die Republik einzuschüchtern.

Die nächste Klage ist bereits eingebracht

Dass es sich dabei um eine erfolgsversprechende Strategie handelt, wird auch durch einen anderen Umstand belegt: im Juli hat die Meinl-Eigentümerin erneut Klage vor einem Konzerntribunal eingebracht. Diesmal aber nicht in Washington, sondern in Paris. Details sind bislang nicht bekannt. Nur so viel: auch dieses Verfahren wird für Österreich wieder teuer. Es geht diesmal um den doppelten Betrag von 400 Mio. Euro.

Weiterführende Links:

Investitionsschutzabkommen Österreich – Malta https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20003372

Fallzusammenfassung auf der ICSID-Website https://icsid.worldbank.org/apps/icsidweb/cases/Pages/casedetail.aspx?CaseNo=ARB/15/32&tab=PRO

Parlamentarische Anfrage an Finanzminister Schelling https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_08685/index.shtml

Anfragebeantwortung von Finanzminister Schelling https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_08685/imfname_542382.pdf

Parlamentarische Anfrage an Finanzminister Löger: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_01325/index.shtml

Beitrag auf Ö1: http://oe1.orf.at/player/20180914/526713/122723

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6 Kommentare
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Günter
Günter
21. September 2018 11:57

Warum hat Österreich 41 solcher Abkommen abgeschlossen?
Und welche Regierungen waren das?

Alle
Alle
Reply to  Günter
28. September 2018 17:01

sind es gewesen.
ALLE!

Nehmen wir doch
Nehmen wir doch
15. September 2018 01:06

locker den Arbeitslosen weg, was: »Konzernklagerechte: Die Meinl Bank will 400 Millionen vom Staat Österreich«

Raiff…
Raiff…
15. September 2018 01:03
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