Andrea Maria Dusl - Comandantina

Workingman’s Death

Foto: Lotus Film

Andrea Maria Dusl, Filmemacherin, Zeichnerin und Kulturwissenschaftlerin schreibt ab jetzt für den Kontrast-Blog sehr persönliche und aktuelle Texte zu den Themenkreisen Arbeit, Kapital, Gerechigkeit und Solidarität. Das eine oder andere Österreich-Schaubild wird auch dabei sein.

In seinem preisgekrönten Dokumentarfilm „Workingman’s Death“ (2005) ging der österreichische Regisseur Michael Glawogger auf die Suche nach den letzten echten Arbeitern. Seine Haltung war von Respekt getragen, von Anerkennung, ja Liebe zu den von ihm Porträtierten, Glawogger lag das leichtfertig-distanzierte fern. Dokumentarischer Zynismus oder Sozialpornographie waren seine Sache nicht.

Die Bilder, die Glawogger in seinem Film zeigte, waren atemberaubend. Gefährlich. Verstörend. Unglaublich. Es waren Bilder der Schwerstarbeit, an diversen Orten rund um den Globus eingefangen. Exemplarisch sei an eine Sequenz erinnert, die selbst nur unter Lebensgefahr und körperlicher Extrembelastung gedreht werden konnte.

Drei Kumpels mit schwarzen, verschwitzten Gesichtern, Grubenlampen auf den Helmen, schieben sich irgendwo in der östlichen Ukraine in einen horizontalen Felsspalt, der gerade einmal so hoch ist, wie ihre Schultern breit sind. Mit ruhigen, gezielten Schlägen hauen sie tiefschwarze Steinkohle aus dem lebensgefährlich engen Flöz. Die Männer sind entlassene und in die Hoffnungslosigkeit gedrängte Bergleute, die in aufgelassenen Lagerstätten nach Kohle für den Eigenbefarf schürfen. Ihre Armut und die ihrer Familien zwingt sie dazu. Ein verrohter, von der Kapital-Oligarchie zersetzter Staat hat diese Menschen fallengelassen.

Auch eine andere Sequenz geht an die Grenzen menschlichen Daseinskampfes: An einem schmutzigen Sandstrand klettern Vermummte mit dicken Schutzbrillen das haushohe Wrack eines rostigen Öltankers hoch. Mit primitiven Schweißbrennern zerschneiden sie die armdicken Stahlplatten des riesenhaften Schiffsleibes vom Oberdeck bis zum Kiel und zerlegen den Tanker in Stücke von der Größe ganzer Häuserblocks. Kaum ist eines dieser gigantischen Rippenstücke ins flache Wasser gestürzt, wird es von einem anderen Team bestiegen, das es in kleinere und diese in noch kleinere Stücke zerschneidet, bis am Ende tischplattengroße, scharfkantige Eisenstücke, von nackten Händen getragen, auf riesige Stapel gelegt werden. Moderne Sklaven. Postmoderner Irrsinn.

Die beiden Szenen sind exemplarisch für Michael Glawoggers gewaltigen Film „Workingman’s Death“. Körperliche Schwerstarbeit ist unsichtbar geworden in unserer globalisierten Welt der Maschinen, Fabriken und Konzerne. Und mit der körperlichen Schwerstarbeit scheinen auch Arbeiter und Arbeiterinnen – in totalitären Regimen noch zu Helden stilisiert – verschwunden zu sein. Arbeiterinnen und Arbeiter werden längst nicht mehr in Hymnen bejubelt – sondern überhaupt nicht mehr. Arbeit hat den Makel des Schmutzigen, Erfolglosen bekommen. Wieder bekommen.

Glawogger stellte sich bei der Genese seines Streifens die Frage: Ist der Arbeiter tot, sein Ruhm verblasst, ersetzt durch die billige Kraft der Maschine? Sein Film antwortete in Bildern, die so eindrücklich sind wie brutal. Es gab (und gibt) ihn noch, den Arbeiter, schrien diese Szenen von der Leinwand, oft jedoch illegal und unterbezahlt, von keiner Gewerkschaft vertreten, von keinem Arbeitsgesetz beschützt. Weil es noch immer Regionen gibt, in denen Menschen schwere Arbeit billiger erledigen als Maschinen: Menschen, die in einem Vulkanschlot auf Java Schwefel brechen, in Nigeria Rinder zerlegen, in Pakistan Schiffe zerschneiden oder in aufgelassenen ukrainischen Flözen nach Heizgut für den Winter schürfen.

Diese Welt schien 2005 und scheint heute so weit weg. Und doch gibt es Kräfte, die an diesen Bildern nichts auszusetzen hätten. Politische Kräfte in österreichischen Parteien, die das Bild des geknechteten, rechtlosen Arbeiters nicht stören würde. Leistung will erschwitzt werden, sagen diese Kräfte. Wer kein Kapital hat, muss schuften.

Wie eine Welt aussieht, die sich die Rechten in unserem Land zurückwünschen, seien sie schwarz, türkis oder blau tingiert, kann man in Glawoggers Film sehen. Man sollte sie nur mehr dort sehen dürfen.

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Christa winter
Christa winter
15. September 2017 11:52

Ein toller Text. Traurig, aber wahr und man merkt es auf schritt und tritt. Undctrotzdem wählen gerade Arbeiter jene, die die Arbeitslosen und nicht die Arbeitslosigkeit bekämpfen.

Wittmann Friedrich
Wittmann Friedrich
24. August 2017 17:14

Copyright: Friedrich Wittman 3202 Hofstetten-Grünau Zinnergasse 3 Tel.0664 400 74 92
E-mail: wittmann.friedrich@aon.at
Hompage poeme-image.at

Nur ein Arbeiter

Am morgen in die Fabrik
Zu Mittag in die Kantine
Viele Stunden an einem Stück
Fleißig wie eine Biene

Er träumt vom eignen Haus
Will schaffen ein kleines Schloss
Den Schlaf lässt Er manchmal aus
Es wird ein Traum, ganz groß

Überstunden sind ein Muss
Rackert wie besessen für sein Ideal
Für das wahre Leben nur ein flüchtig Gruß
Bestimmt wird gebaut, ganz real

Er ist beliebt bei den Kollegen
Hilft wo er nur kann und will
Ist standhaft, will was bewegen
In der Firma in Pension, ist sein Ziel

Doch die Zeiten ändern sich
Die Gier nach Dividenden
Lässt die Moral, Vernunft im Stich
Für die Firma, das Blatt wird sich wenden

Eines Tages, nach der Stechuhr
Wird Er befohlen ins Büro hinein
Er denkt, ist bestimmt ein Auftrag nur
Mehr Arbeit, ich sag bestimmt nicht nein

Der Personalschef bietet einen Platz
Ungewöhnlich diese Geste bloß
Und fängt an zu reden, mit dem Satz
Hatten Sie bei uns ein schweres Los?

Nein Herr, die Arbeit macht mir Freude
Hab ich etwas falsch gemacht?
War immer zufrieden, nichts bereue
Jeden Auftrag stets zu End gebracht

Genau dies wird in Ihrem Zeugnis stehen
Das Sie stets Ihre ganze Kraft gegeben
Wenn Sie neue Arbeit finden
Das Zeugnis wird Ihr Können gut begründen

Wie soll ich das verstehen Herr
Man benötigt mich nicht mehr?
Ist man mit mir nicht zufrieden?
will mich mit weniger Lohn begnügen

Chef die Auftrags Bücher sind voll
Für unsere Firma ist das gut und toll
Unser Produkt gefragt in aller Welt
Bringt den Aktionären Macht und Geld

Schauen Sie guter, fleißig Mann
Das stimmt, es ist was dran
Doch die neue Maschine dann
Ersetzt im nu fünfzehn Mann

Die Produktion läuft vierundzwanzig Stunden
Sehr schnell wollen das Produkt die Kunden
Die Maschine ist zwar komplex und teuer
Braucht aber keinen Urlaub, zahlt keine Steuer

Der Computer übernimmt das denken
Die Bits werden die Produktion nun Lenken
Kein Mensch muss mehr Schaffen
Kann mit der freien Zeit Wellness machen

Die Maschinen sollen erleichtern den Fron
Nicht den Menschen ganz ersetzen
Es klingt das Wellnes Angebot als Hohn
Es wird das Recht auf Arbeit sehr verletzen

Wer soll dann Ihr Erzeugnis wohl kaufen`
Wenn niemand hat dafür das Geld?
Unsereins wird dann ums Überleben laufen
Haben Sie schon daran gedacht, Sie Mann von Welt?

Jetzt geht der Mann hinaus in die Hallen
Ist zornig, verbittert, aufgebracht und wild
Im gehen spürt Er, wie sich die Fäuste ballen
Stellt sich hinauf, lässt seine Stimme hallen.

Kollegen, hört gut zu, lasset die Arbeit ruhen
Man ist erstaunt, was will denn unser Mann?
Ja macht Eure Ohren auf, wertlos unser Tun
Besprechen wir, was man dagegen machen kann

Hey, sag wovon sprichst Du, erkläre Dich
Sprichst in Rätseln, sag nun klar und genau
Können doch nicht Pause machen sicherlich
Was soll dieser Aufstand, der Radau

Das will ich Euch gern ins Gesicht nun sagen
Man will uns ersetzen durch Maschinen
An die Luft uns setzen, in den nächsten Tagen
Wie sollen wir unsren Lohn nun verdienen?

Wir sollen, müssen, können, zusammenhalten
Sofort in Streik treten, Maschinen stoppen
Ab nun werden Wir den Ablauf neu gestalten
Wir sind nicht dumm, lasst Euch nicht foppen

Aber, Aber nun mal langsam mit den Pferden
Wer sagt uns, ob das stimmt, was Du da sprichst
Was soll aus unsrer Arbeit, Firma werden
Hat Deine Handlung, Absicht und Gewicht?

Versteht Ihr nicht, es wird uns alle treffen
Eure Familien sind auch in Gefahr
Ihr werdet da stehen wie die Deppen
Und ohne Arbeit sein, wirklich wahr

Geht zum Chef und fragt Ihn selbst jetzt gleich
Kann sein das nicht gleich alle auf einmal weg
Lasst Euch nicht einlullen, werd nicht weich
Was aus uns wird schert die Firma einen Dreck

An die Arbeit meine Herrn, wollen sie doch Lohn
Und Sie werden sofort entlassen, wegen Hetzen
Verlassen Sie sofort die Firma, sonst anders wird der Ton
Wir sind im Recht, nach den Wirtschaftsgesetzten

Jetzt wird es laut in der Fabrik, es rumort auch bei den Zweiflern
Stimmt es doch was der Kollege uns gesagt zuvor?
Chef und Sie werden auch ersetzt? wagt sich einer zu ereifern
Stimmt es das wir ersetzt werden durch Maschinen? Nun Im Chor

Der Chef flüchtet aus der Halle, sperrt sich ein im Büro
Nimmt Verbindung auf mit den Aktionären
Die sagen Ihm, das sei sein Bier oder so
An Ihm liegt es, sich den Arbeitern zu erklären

Es wird ausgemacht unter den Kollegen
Die Arbeit wird gleich eingestellt, verwehrt
Ein Streik wird angesagt, ganz verwegen
Man wird bleiben bis sich die Lage klärt

Doch die Firmenleitung ist entschlossen nun
Wilder Streik ist nicht willkommen jetzt
Was kann Sie machen gegen das unerhörte Tun?
Will sofort das Mensch durch Maschine wird ersetzt

Keine Verhandlungen werden nun geführt
Die Räumung der Fabrik wird durchgebracht
Die Arbeiter ausgesperrt nun ungerührt
Bestrafung für den Anführer ausgemacht

Nun steht unser Held verzagt da, ganz allein
Seine Kollegen haben auf Ihn eine Wut
Haben die Arbeit verloren wegen Ihm ganz allein
Glauben fest daran, werden dadurch versetzt in Glut

Nur ein Arbeiter, hört man Reden ganz empört
Will es wagen, der Wirtschaft Schaden zuzufügen?
In den Oberen Kreisen findet man das unerhört
Soll sich doch mit der Arbeitslosen nun begnügen

Ja unser Arbeiter ist verzweifelt und am Boden
Ist die Welt wirklich ungerecht und so gemein?
Hat Er falsch gehandelt, überspannt den Bogen?
Muss es wirklich sein Schicksal sein?

Er geht nach Haus, säuft bis Er nicht mehr Denken kann
Nächsten Morgen Er erwacht, was hat Er falsch gemacht?
Der Traum vom schönen Haus im nu zerrann
Was hat Ihm der Sinn nach Gerechtigkeit nur gebracht?

Den ganzen Tag, die ganze Nacht irrt Er durch die Stadt
Versucht Erklärung zu bekommen bei den Saufkumpanen
Er nun wirklich nicht mehr weiß was Er verbrochen hat
Sein Leben geht jetzt nicht mehr in geordnet Bahnen

Wird aufgelesen auf der Straße von der Polizei
Eingeliefert in ein Krankenhaus, mit verschlossnen Türen
Er geht niemanden ab, ist den Menschen einerlei
Wollte niemanden zur Aufruhr doch verführen

Wird behandelt wie eine Gefahr für Leib und Seele
Stumpft ab durch die Medikamente, die Er nimmt
Als geheilt entlassen, bekommt Er keine Stelle
Ist Ihm die Obdachlosigkeit bestimmt?

Er lebt von milden Gaben und unter Brücken
Manchmal darf Er In einer Zelle schlafen
Die Menschen Ihn verachten, von Ihm rücken
Er gilt als das schwarze unter Schafen.

Warum nur Er, sagt Er sich immerzu
Will von der Welt nun gerne scheiden
Dann hat die Welt vor mir die Ruh
Nimmt sich das Leben, im Himmel nicht mehr leiden

Hat diese Gesellschaft nachgedacht
Die Gier nach Geld ist grenzenlos gemein
Dem Einzelnen nichts gebracht
Warum soll man menschlich sein?

Peter Hois
Peter Hois
Reply to  Wittmann Friedrich
24. August 2017 18:17

Danke!

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